Mischbar Gastronomie Gruppe (Provisorium46, Fabrique28 & Lorraine22)

Gastgewerbe
Espace Mittelland

Wie ist es zur Eingliederung gekommen? (Arbeitgeber)

Herr H. wollte seinen Traumberuf als Koch erlernen und bewarb sich nach etlichen gescheiterten Bewerbungen im 1. Arbeitsmarkt schlussendlich im Provisorium46. Wir stehen als Gastro- und Kulturbetrieb für eine Gesellschaft ein, in der Inklusion in allen Strukturen als Selbstverständlichkeit gelebt wird. Darum möchten wir den Mehrwert einer vielfältigen Gesellschaft auf ungezwungene Art versteh- und erlebbar machen und junge Menschen mit und ohne Beeinträchtigung auf ihrem Weg zu einem selbstbestimmten Leben in der Gesellschaft begleiten. Dies alles privatwirtschaftlich und ohne Subventionen. Demzufolge wurde die Bewerbung von Herrn H. wie jede andere Bewerbung nach Kritieren wie Motivation oder Entwicklungspotential angeschaut und bewertet. Wir kannten ihn bereits aus dem Sommercamp Cooltour, welches Blindspot – Inklusion & Vielfaltsförderung Schweiz, alljährlich organisiert und wir vom Restaurantbetrieb den Burgertag veranstalten durften. Wir freuten uns, dass Herr H. seine Ausbildung in unserem inklusiven Gastronomiebetrieb starten wollte.

Wie ist es zur Eingliederung gekommen? (Arbeitnehmer)

Nach der neunjährigen obligatorischen Schulzeit, besuchte ich während zwei Jahren die weiterführende Schule, die sogennante Werkstufe, und hatte in dieser Zeit die Möglichkeit an verschiedenen Orten diverse Praktika zu machen. Diese ergab sich hauptsächlich in Institutionen, wo ich nie wirklich glücklich war. Ich wollte wie alle anderen im 1. Arbeitsmarkt arbeiten und nicht im 2. Arbeitsmarkt.

Meine Motivation war mein Berufswunsch. Ich habe schon immer gerne gekocht (z.B. zuhause). Koch ist mein Traumberuf.

Über die inklusiven Freizeitangebote von Blindspot, bin ich auf die Möglichkeit einer Berufsausbildung im 1. Arbeitsmarkt beim Provisorium46 aufmerksam geworden. Ich habe Trisomie21 und suchte eine Ausbildungsstelle, die zu mir passt. Im Frühjahr 2018 durfte ich im Provisorium46 schnuppern.

Der Einstieg erfolgte nach Schulende im August 2019 über meine Berufsausbildung als Praktiker PrA Küche im Provisorium46. Dies war für mich mit riesengrosser Freude und Erleichterung verbunden. Meine Aufgaben am Anfang waren: Abwaschen, rüsten, schneiden und das mise en place. Ich habe Wert auf eine konzentrierte und genaue Arbeitsweise gelegt. Danach habe ich von meinem Geschäftsleiter das Angebot für eine Weiteranstellung in der Fabrique28, dem zweiten inklusiven Gastrobetrieb der Mischbar Gastronomie Gruppe, erhalten.

Ich hatte ein Gespräch mit der Betriebsleiterin der Fabrique28 und schnupperte anschliessend. Es hat mir sehr gefallen. Im Sommer 2021 habe ich einen unbefristete Arbeitsvertrag im Umfang von 60% erhalten, also ca. 5 Stunden täglich. Seither konnte ich meine Arbeitszeit auf 6 Stunden pro Tag steigern. Heute arbeite ich in der Küche. Zu meinen aktuellen Hauptaufgaben gehören: A la carte Zubereitung in der warmen Küche, kalte Küche (z.B. Apéros vorbereiten), schneiden, rüsten, abwaschen, Küchenreinigung, Essensausgabe mit Gästekontakt, Einsätze bei Pop-Ups und bei Caterings mit dem Foodtruck.

Die Arbeit macht mir grossen Spass. Es gefällt mir, immer weiter dazu zu lernen und neue Aufgaben zu erhalten. Mein nächstes Ziel ist es, die EBA-Ausbildung Küchenangestellter abzuschliessen. Danach möchte ich mein Pensum langfristig gerne auf 100% erhöhen.

Die Probezeit betrug drei Monate. Seine Ausbildung dauerte insgesamt zwei Jahre. Als Lernender arbeitete er regulär mit dem Team im Tages- sowie Abendservice mit. Unterstützung erhielt er in gemeinsamer Absprache von seinem Berufsbildner in den Bereichen Fach-, Methoden- und Sozialkompetenz. Externe Unterstützung erfolgte durch die Familie, welche Lernhilfe bot und Herr H. zum Beispiel bei der Terminkoordination sowie Arbeitsplanung unterstützte.

Gemeinsam mit dem Berufsbildner und dem Küchenchef wurde ein klarer Lehrplan erstellt, wie es üblich ist bei einer Ausbildung. Neben der Berufsschule wurden zusätzlich Ausbildungs- und Küchencoachings durch den Berufsbildner mit agogischer Ausbildung durchgeführt. Das wichtigste bei jedem Lernenden ist es, dass der Lehrplan nach seinen oder ihren Bedürfnissen ausgerichtet ist und ein Ausbilungskonzept anhand der Stärken und Entwicklungspotential aufgestellt wird.

Die IV-Stelle unterstütze die Ausbildung finanziell, d.h. die Ausbildung im Betrieb wurde bezahlt. (Ausbildungsprogramm nach INSOS, Coaching, Standortgespräche mit der IV, Schule)

Heute bekommt Herr H. nach der abgeschlossenen Ausbildung zwei Mal in der Woche ein Coaching. Bei diesen Coachings geht es darum, die Kompetenzen und Fähigkeiten zu steigern. Inhalte sind beispielsweise Tempo, Genauigkeit, Erlernen neuer Aufgaben und Social Skills wie zum Beispiel Umgang mit Kritik.

Persönliche Erfahrung (Sicht Arbeitgeber)

Herausfordernd war zu Beginn die Kommunikation – die Abläufe und Sätze immer klar und einfach zu formulieren und abzufragen, ob z. B. der Auftrag verstanden wurde und keine Missverständnisse entstehen. Im hektischen Arbeitsalltag passiert es zudem oft, dass etwas schnell selber erledigt wird anstelle es gut zu übergeben. So geht das Potential verloren und der Mitarbeiter wird nicht richtig eingesetzt.

Das inklusive Arbeiten lehrte uns, für jede Herausforderung eine Lösung zu finden im Team – beispielsweise mit Hilfsmitteln, baulichen Anpassungen oder neu gedachten Prozessen. Zudem finden wir die andere Perspektive von Mitarbeitenden mit Beeinträchtigung erfrischend und hinterfragen, was wir als «normal» bezeichnen. Aufgrund dieser Überlegungen konnten wir die Effizient und die Effektivität im Team steigern und wir merken, wie das diverse Team uns einen Mehrwert bringt. Es fängt alles beim inklusiven Mindset an, damit dieser Mehrwert auch erkannt wird.

Als Ratschlag geben wir anderen Arbeitergeber:innen mit, mehr Fragen direkt an die betroffenen Personen zu stellen und auf die Stärken und nicht Defizite der Mitarbeitenden zu achten.

Persönliche Erfahrung (Sicht Arbeitnehmer)

Herausfordernd ist teilweise die Erfüllung der Ansprüche bei neuen Aufgaben. Hier habe ich mit der Unterstützung meiner Vorgesetzten und Teamkolleg:innen gelernt, neue Aufgaben mit Geduld anzugehen und einen kühlen Kopf zu bewahren.

Ich hatte auch schon eine Krise, in der meine Leistung nicht mehr stimmte und ich mit dem Team aneinandergeraten bin. Meine Vorgesetzten haben mich gut dabei unterstützt, wieder Tritt zu fassen in meinem Job. Ich habe von meinen Vorgesetzten viel Unterstützung erahren und bin sehr dankbar dafür.

Ich bin auf einem guten Weg – ich bin stolz, dass ich eine Ausbildung hinter mir habe und freue mich auf die Weiterentwicklungsmöglichkeiten mit der EBA-Ausbildung Küche.

Die Arbeit in der Fabrique28 bedeutet mir sehr viel, weil ich meine Fähigkeiten nutzen und weiter dazulernen kann. Meine Arbeit wird gebraucht und meine Arbeitskraft wird wertgeschätzt. Ich habe Aufgaben, die mir gut liegen und mich interessieren. Und ich lerne nicht nur fachlich, sondern persönlich dazu – z.B. aufmerksam zu sein oder wie ich funktioniere. Am liebsten würde ich für immer in der Fabrique28 arbeiten.